PolitikerProjekt

Zusammenfassung

Das Grundgesätz hält in Artikel 38 fest, dass die Mitglieder des Bundestages nicht an übergeordnete Weisungen oder Aufträge gebunden, sondern lediglich ihrem eigenen Gewissen unterworfen sind. Politische Fraktionen sind jedoch geschlossene Organisationen, die ein kollektives Auftreten bei Abstimmungen als unverzichtbaren Bestandteil voraussetzen. Wird es demnach zu einem Problem, wenn einzelne Politiker bei wegweisenden Abstimmungen vom eigentlichen Parteiinteresse abweichen und stattdessen ihre eigenen Ziele oder Werte vertreten, die von anderen beeinflusst sein könnten?

Auf Ebene des Parteivorstandes scheint es ebenfalls möglich, dass Interessen von wirtschaftlichen Unternehmen die Parteilinie beeinflussen können. Dieses Projekt soll einen tieferen Einblick in das Individualverhalten von Berufspolitikern geben und untersuchen, inwieweit ein Fraktionszwang oder eine Fraktionsdisziplin vorliegt und in welchem Maße korruptes Verhalten im politischen Alltag auftritt.

Projektidee

Nur bei etwa 5% aller Abstimmungen wird durch Fraktionen oder einzelne Mitglieder des Bundestages (oder der Landtage) eine namentliche Abstimmung beantragt. Sie werden oft als Instrument des Parteiwettbewerbs genutzt und sollen sowohl innerparteiliche Konflikte aufdecken als auch potenzielle Abweichler innerhalb der eigenen Partei identifizieren. Die freiwillig eingegangene wechselseitige Abhängigkeit zwischen Fraktion und Individuum beschreibt damit die generelle Fraktionslogik eines Parlaments. Es wird demnach nach dem Motto „Es ist besser einen Kompromiss der eigenen Meinung einzugehen, als dass die Entscheidung ohne die eigene Mitgestaltung getroffen wird“ gehandelt (Patzelt, 1998). Doch was ist, wenn das potenzielle Abweichen mit negativen Sanktionen einhergeht?

Zusätzlich stellt sich die Frage, ob hierdurch oder durch andere Abweichungen von den Regeln der Amtsführung eine Verletzung der Amtspflicht vorliegt. Bekommen Landes- und Bundespolitiker materielle und/oder immaterielle Güter angeboten bzw. nehmen sie diese an, um Interessen von wirtschaftlichen Unternehmen zu adaptieren? Da Spenden an die Fraktionen erst ab einem gewissen Betrag gemeldet werden müssen, sind „… verdeckte Parteispenden das wichtigste ‚Schmiermittel‘ der politischen Korruption in der Bundesrepublik …“ (Roth, 2002). Ob die verschiedenen politischen Ebenen als korruptionsfrei gelten können, sollte kritisch hinterfragt und analysiert werden.

Ziele

1.) Untersuchung der Prävalenz vom Fraktionszwang (bzw. der Fraktionsdisziplin) in den Parlamenten der 16 Landtage und des Bundestages der letzten beiden Wahlperioden durch eine systematische Onlinebefragung aktiver und inaktiver Politiker.

2.) Untersuchung der Prävalenz von Korruption in der Politik in den Parlamenten der 16 Landtage und des Bundestages durch eine systematische Onlinebefragung aktiver und inaktiver Politiker.

3.) Es soll quantifiziert werden, in welchem Maße jeweils materielle und immaterielle Güter von Fraktionen oder Unternehmen angeboten und angenommen werden, um wirtschaftliche Interessen durchzusetzen.

Bisherige Arbeiten

In einem ersten Schritt wurden Namenslisten der Politikerinnen und Politikern erstellt, die in den letzten beiden Wahlperioden in einem der 16 Landtage oder dem Bundestag vertreten waren. Zusätzlich wurde die Parteizugehörigkeit und Kontakt E-Mail Adressen (wenn möglich geschäftlich und privat) der Abgeordneten in diese Listen mitaufgenommen. So konnten für die Langtage 3.373 und für den Bundestag 962 Einträge zu insgesamt 4.335 E-Maildressen kumuliert werden.

Die systematische Onlinebefragung soll mittels indirekter Befragungstechniken (Randomized Response Technique) durchgeführt werden.